Im Rahmen der Vortragsreihe „NS-Täterforschung und NS-Täterbiographien“ beschäftigt sich der Vortragsabend am 15.2.2012 um 19 Uhr mit dem Leben des österreichischen KZ-Arztes Sigbert Ramsauer, der noch Anfang der 1990er Jahre seinen Dienst in der SS in einem TV-Interview folgendermaßen charakterisierte: „Ich war mit Freuden dabei!“
Die Referentin Mag.a Dr. Lisa Rettl hat sich intensiv mit der Biografie von Sigbert Ramsauer beschäftigt und seine Lebensgeschichte rekonstruiert. Sein Weg führte über den Vernichtungskrieg in Polen und der Sowjetunion zu den Konzentrationslagern Gusen, Neuengamme und Dachau, wo er als Assistenzarzt Dienst versah, um schließlich im Juli 1943 zum Lagerarzt im KZ Loibl zu avancieren.
Dort verrichteten mehr als 1600 KZ-Häftlinge Sklavenarbeit bei der Errichtung eines Straßentunnels durch die Karawanken. Im Prozess vor einem britischen Militärgericht in Klagenfurt im Herbst 1947 wurde Ramsauer wegen Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch schon wenige Jahre nach Kriegsende, als das Begnadigungsrecht 1953 auf das österreichische Justizministerium übertragen wurde, wird Ramsauer im April 1954 begnadigt und steigt als praktischer Arzt zum angesehenen Bürger Kärntens auf. In der Biografie Ramsauers wird somit auch ein Sittenbild der österreichischen Vergangenheitsbewältigung in unserem Land thematisiert.
Mag.a Dr.in Lisa Rettl lebt und arbeitet als freiberufliche Historikerin und Ausstellungskuratorin in Wien. Zu ihren Forschungsfeldern gehören der österreichische Widerstand, Erinnerung & Gedächtnis und österreichische Minderheitenpolitik, zu denen sie auch zahlreiche Publikationen verfasst hat.
Vielfältige Ausstellungstätigkeiten, zum Beispiel als Mitglied des Kuratorenteams der 2009 in Wien gezeigten Ausstellung „Was damals Recht war.“ Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Zu ihren letzten großen Projekten gehörte u.a. der biografische Dokumentarfilm „Wilde Minze“, der 2010 seinen österreichischen Kinostart erlebte.