Aufgrund der in verschiedenen Medien erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe gegen sozialpädagogische Wohngruppen in Altmünster (Bezirk Gmunden) hat die Abteilung Jugendwohlfahrt als Aufsichtsbehörde eine anlassbezogene Fachaufsicht eingeleitet. Als ersten Schritt haben zwei Mitarbeiterinnen vor Ort Erhebungen durchgeführt, um zu prüfen, wie der Erziehungsalltag konkret aussieht und ob Mängel erkennbar sind.
Keine Hinweise auf Missbrauch
Dazu wurden persönliche Gespräche mit Kindern und Jugendlichen geführt sowie die Betreuungsdokumentation geprüft. Es wurde auch geprüft, wie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen mit besonders schwierigen Erziehungssituation umgehen. Bisher haben sich keine Hinweise ergeben, die die massiven Vorwürfe (Schläge; Essensentzug; im Regen stehen müssen, Strafe stehen, Einsperren über Nacht) bestätigen würden.
Zu den Vorwürfen ergibt sich folgendes Bild:
1. Alle befragten Kinder haben verneint, jemals geschlagen worden zu sein oder beobachtet zu haben, dass ein anderes Kind geschlagen wurde. In eskalierenden Erziehungssituationen – wenn Kinder andere Kinder gefährden, oder wenn sie sich selbst bei Wutausbrüchen gefährden — kommt es in der Praxis tatsächlich als letztes Mittel dazu, dass Kinder gegen ihren Willen festgehalten werden. Auch wenn dies von anderen Kindern als schützend erlebt wird, kann dies vom Betroffenen als Gewalt erlebt werden, alleine schon aufgrund der körperlichen Überlegenheit der Erwachsenen. Es kam auch einige Male dazu, dass Kinder alleine für einige Minuten im Zimmer eingeschlossen wurden. Selbst diese kurze Zeit ist jedoch als pädagogische Intervention zu hinterfragen. Es konnte aber in keinem Fall festgestellt werden, dass Kinder über einen längeren Zeitraum im verschlossenen Zimmer bleiben mussten.
2. Es gibt keinerlei Hinweise auf Essensentzug; das wurde auch von den Kindern bestätigt. Wenn ein Kind es nicht schafft, sich am gemeinsamen Essen zu beteiligen, kommt es aber vor, dass es sein Essen erst später bekommt. Es wird kein Kind dazu gezwungen Speisen zu essen, vor denen es sich ekelt. Allerdings müssen sie das Essen zumindest kosten, und irgendetwas vom Speiseplan essen (zB. nicht den Spinat, aber die Kartoffel).
3. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Kinder in der Nacht im Regen stehen mussten. Sehr wohl ist es vorgekommen, dass Kinder, die die Nachtruhe der anderen Kinder anhaltend gestört haben, 5 bis 10 Minuten vor dem Dienstzimmer stehen mussten. Inzwischen hat man in einem Gästezimmer die Möglichkeit geschaffen, solche Situationen zu entspannen. Kinder haben angegeben, dass sie zu den Betreuerinnen und Betreuern kommen können, wenn sie nicht einschlafen können und Trost brauchen.
In einer Wohngruppe leben 7 bis 9 Kinder zusammen, die aus sehr schwierigen Familiensituationen kommen und oft starke Verhaltensauffälligkeiten mitbringen. Die Betreuer müssen mit Rückzug und Verweigerung, aber auch mit Aggression und körperlichen Übergriffen in einer angemessenen Weise umgehen können.
Deshalb wird in den Wohngruppen in der Aufarbeitung der Vorwürfe eine verstärkte Reflexion des Erziehungsalltags erfolgen. Die Abteilung Jugendwohlfahrt wird die weitere Entwicklung sowie die Ergebnisse der polizeilichen Erhebungen genau verfolgen und diese in die abschließende Bewertung einbeziehen.