Im Sommer 2013 ist erneut ein besonderes Originalgemälde von Gustav Klimt (1862–1918) am Attersee zu Gast. Kehrte im vergangenen Jahr zur Eröffnung des Klimt-Zentrum das Gemälde »Am Attersee« – von Kunstkritiker Ludwig Hevesi als »Rahmen voll Seewasser« bezeichnet – nach über 100 Jahren als Leihgabe des Leopold Museum an seinen Entstehungsort zurück, so ist es in diesem Jahr eine Klimt-Landschaft, mit der quasi alles begann: »Ein Morgen am Teiche«
Erste Klimt-Landschaft im quadratischen Format
Das im Jahr 1899 gemalte Bild zeigt den Egelsee in Golling bei Hallein und hat eine ganz besondere Stellung innerhalb Klimts Oeuvre. Es ist die erste Landschaft in quadratischem Format und kompositionelle Basis für alle folgenden, über 50 bekannten und von der Region um den Attersee inspirierten Klimt-Landschaften. Interessanterweise wurde das Motiv lange Zeit mit dem Teich im Park von Schloss Kammer in Verbindung gebracht. Erst in den 1990er-Jahren konnte das Gewässer topografisch als Egelsee in Golling identifiziert werden.
Klimts Sommerfrische mit Emilie Flöge im Kurort Golling
Gustav Klimt verbringt 1899 mit Emilie Flöge und ihrer Familie die Sommerfrische in dieser Gegend des Salzkammerguts, abseits der Großstadt Wien. Zwei von Klimt verfasste Grußkarten von Golling nach Wien sind heute noch erhalten. Ähnlich wie vom Attersee klagt Klimt auch von dort über schwierige Arbeitsverhältnisse, wie die Postkarte vom 31. August 1899 an Marie Zimmermann belegt:
»Komme wahrscheinlich Montag nach Wien. Werde Dienstag Besuch machen. Habe ungünstiges Wetter zur Vollendung meiner Arbeiten«. Es scheint also nicht ausgeschlossen, dass die Leinwand für sein Seebild erst im Wiener Atelier fertiggestellt wurde. Eine für Klimt seltene Tierdarstellung »Kühe im Stall« ist ebenfalls 1899 in Golling entstanden.
Klimts Aufenthalt in dem für seinen eindrucksvollen Wasserfall bekannten Kurort lässt sich aufgrund der erhaltenen Ansichtskarten von spätestens 11. August bis frühestens 1. September 1899 belegen. Die sich anbahnenden Diskussionen um seine »Fakultätsbilder« und über seine allzu freizügigen Frauendarstellungen erwecken in Klimt die Sehnsucht nach Ruhe und Abkehr von jeglicher Konfrontation. Symptomatisch spiegelt sich sein Seelenzustand vielleicht auch in dem von Friedrich Schiller geprägten Zitat, das Klimt in sein ebenfalls 1899 entstandenes Gemälde »Nuda Veritas« integriert: »Kannst du nicht allen gefallen durch deine That und dein Kunstwerk – mach es Wenigen recht, Vielen gefallen ist schlimm.«
Fotos: Wolfgang Spitzbart
Zusätzliches Aufsehen dürfte auch die Tatsache geboten haben, dass Klimt in einem Jahr mit den Flöges gemeinsam urlaubt, in dem ihm zwei seiner Modelle jeweils einen Sohn namens Gustav gebären. Gustav Ucicky (gest. am 27.04.1961), Sohn von Maria Ucicka, erblickt am 6. Juli das Licht der Welt, am 1. September folgt Gustav Zimmermann (gest. am 08.04.1976), Sohn von Marie Zimmermann, die ihm auch Modell stand für den frontal stehenden Frauenakt im Gemälde »Nuda Veritas«.
Gespiegelte Realität im mystischen Gewässer
Ganz im Gegensatz dazu ist Klimts Darstellung »Ein Morgen am Teiche« von absoluter Harmonie bestimmt. Die Natur als Ausgangspunkt nehmend, gibt Klimt die Wasserfläche des Egelsees wieder, wobei es ihm nicht um das Festhalten einer bestimmten, sich ständig wechselnden Lichtsituation geht, wie es etwa den französischen Impressionisten wichtig war, sondern um Harmonie und Kontemplation. Das Ausschnitthafte der Darstellung, die angeschnittene Wasserfläche als symbolisches Fragment eines großen, ewigen Kreislaufes der Natur, verstärkt diese Stimmung.
Gustav Klimt zeigt keinen Blick in den blauen Himmel sondern fokussiert sich auf die flimmernde Darstellung der Spiegelung des von weißen Wolken erfüllten Himmels und der den Teich umgebenden Parklandschaft im ruhigen Gewässer des Egelsees, der von gerade knospenden Seerosen und Blättern durchwoben ist. Das real hinter dem Waldrand sichtbare Tennengebirge verliert sich im Dunst des atmosphärisch aufgelösten Bildhintergrundes ebenso wie in der flirrenden rosa Spiegelung im Teich. Lediglich einfallende Sonnenstrahlen erleuchten rechts oben das auslaufende gedämpfte Seeufer in grellem Gelb-Grün.
Die am linken Bildrand angebrachte Signatur des Künstlers betont den einzigen »festen« Boden des Gemäldes als Uferrand in der unteren Bildhälfte. Klimts Kunstgriff, den Gemäldehorizont zunehmend an eine extreme Bildgrenze zu rücken, wird noch für die kommenden Attersee-Landschaften wichtig werden. Die pastellartig gewischten und in Weiß gebrochenen Töne von Lila, Grün und Blau sind charakteristisch für die Farbpalette des Jugendstils und unterstreichen die symbolistische, geheimnisvoll mystische Stimmung.
Präsentation auf der 7. Secessionsausstellung 1900
Klimt präsentiert das Werk erstmals auf der 7. Secessionsausstellung von März bis Juni 1900. Kunstkritiker Hevesi bemerkt dazu in seiner Ausstellungsrezension: »Von Klimt sind dann noch drei köstliche Stimmungslandschaften zu sehen. Die eine mit glattem Wasser und sehr viel Himmel darin, ein Huschen und Flimmern durch und durch«. Kurz darauf wird das Gemälde »Ein Morgen am Teiche« von Fritz Waerndorfer, dem Finanzier und Mitbegründer der Wiener Werkstätte, erworben. Waerndorfer arrangiert das Werk mit zwei weiteren frühen Landschaften des Meisters im sogenannten »Herrenzimmer« in seiner von Josef Hoffmann errichteten Villa im Wiener Cottage Viertel.
»Ein Morgen am Teiche« – in Japan, Moskau, Paris und jetzt am Attersee
1912 wechselt das Gemälde auf Verkaufsvermittlung der Wiener Galerie Miethke um 3.000 Kronen den Besitzer. Ein stolzer Marktpreis in einer Zeit, in der z.B. das Jahresgehalt eines Volksschullehrers rund 1.500 Kronen betrug. Nach mehreren Eigentümerwechseln erwirbt Rudolf Leopold 1976 das Gemälde unter dem Titel »Stiller Weiher«. Seit Eröffnung des Leopold Museum im Jahr 2001 ist das Bild eine Ikone des Hauses und reist immer wieder zu zahlreichen internationalen Ausstellungen, u.a. mehrmals nach Japan, nach Moskau, Dresden, Rotterdam, Zürich, Liverpool, Paris oder Venedig. Nun, im Sommer 2013, ist es am Attersee zu sehen.