Die letzten Arbeiten und damit das fehlende Bindeglied in einer Beweiskette fanden erst letzte Woche im Heimathaus in Vöcklabruck statt. Hier lagert seit Langem ein Fundkomplex aus der Pfahlbausiedlung von Seewalchen am Attersee.
Unter den zahlreichen Objekten fand sich auch eine der typischen Sichelklingen aus dem niederbayerischen Plattenhornstein von Baierdorf im Landkreis Kelheim (Abb.2). Diese sicher wertvollen Importstücke sind auch in den Fundinventaren von See am Mondsee vertreten (Abb. 3.3. und 4). Die sogenannte „Mondsee-Sichel“ gilt sogar als eine der Leitformen für die ganze Mondsee-Kultur. Neben den bayerischen Hornsteinarten fanden auch heimische Rohstoffe bei ihrer Herstellung Verwendung. Taucht eine Sichel dieser Machart auf, kann man sich sicher sein, dass sie in direktem Zusammenhang mit der Mondsee-Kultur steht. Schon früher waren einige dieser Exemplare im Unteren Mühlviertel bekannt geworden und gaben erste Hinweise auf eine Verbindung zu den Pfahlbauern an Mond- und Attersee.
Nach einer umfangreichen Materialaufnahme in verschiedenen Sammlungen des Mühlviertels steht jetzt fest, dass Siedler aus dem Mondsee-Kulturkreis das Untere Mühlviertel vor allem die Gebiete um das Gusental von der Berglitzl, einer alten Donauinsel, bis nach Engerwitzdorf auf dem Mondsee-Donau-Wasserweg (Abb.1) erreicht haben müssen. Einen weiteren Hinweis auf diese Vorstellung geben die Geräte aus den charakteristischen Feuersteinen der Lessinischen Berge (Abb. 7–9), die in direktem Zusammenhang mit der Gletschermumie vom Tisenjoch, besser bekannt unter den Namen Otzi, stehen. Diese Feuersteinart aus den Monti Lessini nördlich von Verona, mittlerweile nachgewiesen am gesamten Alpennordrand, kann nur zur Zeit der Mondsee-Kultur über den Alpenhauptkamm zu uns gekommen sein. Erst kürzlich wurde ein sogenannter Klingenkratzer aus dem sogenannten Ötzi-Feuerstein der Lessini in der Gemeindesammlung von Engerwitzdorf (Abb. 7) entdeckt.
So ergibt sich eine neue Spur, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können. Schon vor Jahrzehnten fanden sich in Stadl-Paura am Zusammenfluss von Ager und Traun und auf der Burgwiese in Ansfelden Überreste von mondseezeitlichen Ansiedlungen. Dann wurde gemutmaßt, dass sich die Mondsee-Kultur bis ins Mühlviertel sogar weiter bis an die Enns ausgebreitet hatte. Allerdings fehlten bislang sichere Hinweise auf entsprechende Siedlungen vor allem mit Funden der typischen Keramik mit ihren weißen Ornamentmustern. Jetzt aber kann über die Funde von Feuersteingeräten aus der Mondsee-Kultur dieser Nachweis mit Sicherheit erbracht werden.
Warum aber kamen Siedler vom Mond- und Attersee auf der Donau ins Mühlviertel? Was war geschehen, dass sie ihre Heimat an den Seen des Salzkammergutes verlassen mussten? Hier spielt der Bergsturz an der Nordflanke des Schafberges eine entscheidende Rolle. Die vorgeschichtliche Naturkatastrophe, die man gerade erst beginnt zu verstehen, führte zum Untergang der Pfahlbausiedlung von See und zum Anstieg des Wasserspiegels an Mond- und Attersee. Die Überlebenden der Überflutung verließen nachweislich das Mondseeland. Erst rund 1000 Jahre später kam es, nun bereits in der Bronzezeit, zu einer erneuten Besiedlung. Sollten es tatsächlich die Mondsee-Leute gewesen sein, die sich auf der Suche nach neuem Lebensraum im Unteren Mühlviertel festsetzten, dann trafen sie dort höchstwahrscheinlich auf die Einwanderer der Chamer Kultur, die donauabwärts aus Bayern kommend, ebenfalls das Mühlviertel für ihr neues Leben gewählt hatten.
Beide Kulturgruppen gingen ineinander auf. Was von den Mondsee-Leuten aber blieb, waren ihre Geräte aus Stein, die noch heute auf den Äckern des Mühlviertels zu finden sind.
Text: Alexander Binsteiner