Mangelernährung in einer Zeit des Überflusses erscheint auf den ersten Blick paradox. Doch jeder dritte ältere Mensch, der ins Krankenhaus kommt, ist entweder untergewichtig oder nicht ausreichend mit lebensnotwendigen Nährstoffen versorgt. Am Department für Akutgeriatrie des Salzkammergut-Klinikums Bad Ischl wird dem mit einem ganzheitlichen Behandlungskonzept entgegengewirkt, das auch das soziale Umfeld miteinbezieht.
Mangelernährung im Alter ist weiter verbreitet, als man annimmt. Meist wird die Diagnose allerdings erst im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes gestellt. „Die Folgen dieser ‘Malnutrition‘ genannten Unterversorgung sind jedoch schwerwiegend“, erklärt OA Dr. Alexander Garstenauer, Leiter des Departements für Akutgeriatrie am SK-Bad Ischl. „Die Betroffenen sind körperlich geschwächt, die Infektionsanfälligkeit sowie das Sturzrisiko steigen und auch die Gefahr des Wundliegens (Dekubitus) erhöht sich. All dies kann in der Folge zum Verlust der Selbständigkeit führen.“
„Wir erleben immer wieder, dass Gewichtsabnahme und weniger Appetit als normale Begleiterscheinungen des Alters abgetan werden“, schildert Diätologin Franziska Bieringer. „Dabei sind es oft nur Kleinigkeiten, wie zB. öfter kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen, mit denen man der Mangelernährung entgegenwirken kann.“
Manchmal reicht schon eine Anpassung der Zahnprothese oder eine Therapie bei Kau- und Schluckproblemen, um das Essen wieder angenehmer zu machen. Auch Medikamente können als Nebenwirkung zur Folge haben, dass der Appetit nachlässt. „Demenz kann ebenfalls ein Grund für eine Gewichtsabnahme sein. Die Menschen vergessen hier einfach aufs Essen.“
Am Salzkammergut-Klinikum Bad Ischl wird jeder Patient/jede Patientin der Akutgeriatrie von einem multiprofessionellen Team betreut. „Anhand eines bewährten und strukturierten Verfahrens (Ernährungsassessment) können wir den Ernährungszustand erheben und individuell darauf reagieren“, sagt OA Dr. Garstenauer. „In der Folge wird genau kontrolliert, ob die Patient/-innen ausreichend Nahrung aufnehmen und auch genug trinken. Je nach Bedarf kann eine Anpassung der Medikamente nötig sein, bzw. werden bei Schluckproblemen Logopädinnen in die Therapie miteinbezogen.“
Bei einer schweren Form der Mangelernährung, ist eine Zusatznahrung angebracht. Diese wird von den Diätologinnen genau auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt. „Uns ist auch sehr wichtig, dass wir die Angehörigen miteinbeziehen. Sie sind die ersten, die eine Mangelernährung bemerken und auch diejenigen, die dem entgegenwirken können“, sagt Franziska Bieringer.
Menschen, die vermuten, dass ein älterer Angehöriger eventuell mangelernährt sein könnte, gibt die Expertin folgende Tipps:
- Sorgen Sie für mehrere kleine Mahlzeiten, die über den Tag verteilt angeboten werden.
- Versuchen Sie besonders auf kalorienreiche Zwischenmahlzeiten zu achten — wie Puddings, Topfencreme, Bananenmilch, Nüsse, Kekse, Riegel, Fruchtcremen usw.
- Trinken Sie zwischen den Mahlzeiten, um den Magen nicht mit Flüssigkeit zu füllen und somit vorzeitig satt zu werden.
- Getränke als Energielieferanten nutzen (Fruchtsäfte, Bananenmilch, etc.).
- Kaufen Sie bei Topfen, Käse, Joghurt usw. bewusst fettreiche Sorten. Sie enthalten mehr Kalorien. Verwenden Sie reichlich Streichfett (Butter oder Margarine).
- Sorgen Sie für eine appetitliche und geschmacksintensive Zubereitung der Speisen.
- Gehen Sie auf Essenswünsche des Angehörigen ein.
- Fingerfood erleichtert das selbständige Essen.
- Passen Sie bei Kau- und Schluckstörungen die Konsistenz der Nahrung den Beschwerden an, z.B. Brot ohne Rinde oder weich gedünsteter Fisch und Gemüse. Breiartige Speisen werden jedoch häufig abgelehnt.
- Ermuntern Sie Ihren Angehörigen zu Bewegung — wenn möglich draußen.
- Um Veränderungen im Ernährungsstatus frühzeitig zu bemerken, sollte das Körpergewicht regelmäßig kontrolliert werden.