Ähnlich wie Strawinsky gilt Ernst Krenek (1900–1991) als ein „Chamäleon“ unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts. Am Beginn seiner Karriere komponierte er atonal, dann entdeckte er für sich den Neoklassizismus, später die Romantik. Am längsten befasste er sich mit Schönbergs Zwölftontechnik.
Im Frühling 1929 entschied sich der junge Komponist, als er auf seinem künstlerischen Weg gerade eine kurze romantische und tonale Phase erlebte, sein geliebtes Heimatland zu erkunden. Ernst Krenek entdeckte, dass er einen großen Teil Österreichs gar nicht kannte und er wollte seine entlegenen Wege und Winkel besichtigen. Die Reise führte ihn von Wien nach Mariazell, Admont, Hallstatt, Heiligenblut am Großglockner, Millstatt, Lienz und über den Semmering wieder nach Wien zurück. Wenige Tage nach seiner Heimkehr begann Krenek den Liederzyklus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ op. 62, zu komponieren. In zwanzig Tagen beendete er zwanzig Lieder nach eigenen Texten. Der Liederzyklus gilt heute als einer der bedeutendsten Vokalwerke der neuen österreichischen Musikgeschichte. Nach dem Welterfolg mit der Jazz-Oper „Jonny spielt auf“, wandte sich Ernst Krenek nun dem Werk von Franz Schubert zu und suchte nach einer Erneuerung der romantischen Tonsprache im Lichte der Moderne. Der philosophische und ironische Liederzyklus entstand in stilistischer Anlehnung an Schuberts „Winterreise“, dessen Andenken das achte Lied „Unser Wein“ gewidmet ist. Also zeigte sich Krenek nicht nur von Schubert, sondern auch von den Qualitäten des heimischen Weins tief beeindruckt.
Die 20 Lieder beschreiben nicht nur Kreneks Reise durch die österreichische Landschaft, sondern thematisieren in einer von poetischen Passagen, Parodie, Verfremdung und romantischer Ironie durchbrochenen Alltagssprache die Suche nach einer anderen, besseren Heimat. Das Werk ist musikalisch durch eine von zahlreichen Brüchen durchzogene freie Tonalität gekennzeichnet, welche im letzten Lied „Epilog“ in einer ersten zwölftönigen Struktur endet. Gleichzeitig thematisieren die Lieder die aktuelle politische Situation in Österreich, die Entfremdung des Stadt-Menschen von der Natur, das Eindringen von Politik in alle Lebensbereiche und die zunehmende Kommerzialisierung der Gesellschaft.
Der Tenor Alexander Kaimbacher bewies sich in der Liedermatinee am 20. August im Saalfoyer des Kongress und TheaterHauses Bad Ischl als einer der besten und bedeutendsten Interpreten dieses einzigartigen Werkes. Gemeinsam mit seiner in Russland geborenen und in Novosibirsk und Israel ausgebildeten Frau Anna Sushon am Klavier – beide gleichwertige und fein aufeinander eingespielte Partner auf der Bühne – wanderte Kaimbacher durch expressive, klangvolle Welten und feine dynamische Kontraste. Energiebeladen, kraftvoll und glänzend in den dramatischen Episoden, gleichzeitig aber gefühlecht, zart und weich in der Lyrik: seine Stimme ist von Rang!
Aus der Rolle des als Frau verkleideten Rennfahrers Frank Rex in Fred Raymonds „Saison in Salzburg“, schlüpfte Kaimbacher meisterhaft in die ernsthafte Vokalmusik des 20. Jahrhunderts. Eine erstaunliche und bemerkenswerte Verwandlung, welche die Liedermatinee im Rahmen des Lehár Festivals Bad Ischl als Leckerbissen für Kenner und Musikliebhaber krönte.
Fotos: privat