Erich Wolfgang Korngolds (1897–1957) Rückkehr auf die Bühnen dieser Welt macht ihn derzeit zum neuen Unbekannten, der erforscht werden will. Die, in den letzten Jahren zunehmende Zahl von Aufführungen seiner Werke ist — historisch betrachtet — die Wiederholung einer Periode vor etwa 100 Jahren. Die europäischen Opern- und Konzerthäuser rissen sich insbesondere um Uraufführungen der Werke des jungen Star-Komponisten. Gustav Mahler, Richard Strauss, Giacomo Puccini und viele andere legten sich für das Wunderkind ins Zeug und unterstützten neidlos seine Karriere. Puccini war ein enger Freund der Familie, der Korngold schrieb: Weiter so, mein lieber Erich, Sie sind jung und der Weg ist geebnet, um nach den Sternen zu greifen! Die weltweite Renaissance seiner Musik, an der auch Marcel Prawy als Freund der Familie einen großen Anteil hat, ist also vollbracht — das Exilarte Zentrum der Wiener Musikuniversität und die Humboldt-Universität in Berlin arbeiten auf Hochdruck an der Werkausgabe/Gesamtausgabe.
Dem Wunderkind- und Jungstar-Dasein folgt der Karrierebruch durch den Krieg. Es war der Zusammenarbeit mit Max Reinhardt in den USA zu verdanken, dass Korngolds Familie dem Holocaust mit knapper Not entrinnen konnte. Das Schicksal als Exilanten blieb ihnen nicht erspart: Trauer, Heimweh und Fremdsein waren bis zum Ende ihres Lebens allgegenwärtig.
Korngold wurde eher widerstrebend Hollywoodstar — das Ergebnis ließ sich sehen: Der erklärte „Vater“ des Hollywoodsounds wurde zweifacher Oscar-Preisträger. Er hatte sich geschworen, keine klassische Musik zu komponieren, solange Hitler an der Macht wäre. Er lebte mit der Gewissheit, dass seine Musik im Himmel jederzeit bereit sei für die Niederschrift und begann erst nach Kriegsende wieder mit seinen ureigensten Kompositionen. In Hollywood verhandelte er inzwischen hart um seine Gagen — wie er es immer getan hatte — und arbeitet ebenso hart dafür, das Leben der Großfamilie inklusive zweier Söhne, Eltern, Schwiegermutter, Geschwister und vieler geflüchteter Freund:innen großzügig zu finanzieren: Großzügigkeit war ein Teil seines Wesens. Der Versuch nach dem Krieg an die frühere Laufbahn in Österreich wieder anzuknüpfen, scheiterte gnadenlos: Zusagen und Versprechungen für Wiederaufnahmen seiner Werke wurden oft nicht eingehalten. Galten seine Werke durch die Nazis als „entartet“, bekamen sie nach dem Krieg den Nimbus als anachronistisch, eklektisch und — Ironie des Schicksals — zu sehr im Genre der Filmmusik verhaftet. Auch antijüdische Ressentiments waren weiterhin relevant. Verbittert über sein Schicksal starb Korngold im 60. Lebensjahr nach einer Herzattacke. Gefühlt sind beide Eheleute früh an gebrochenem Herzen gestorben. Ihren schlagfertigen und intelligenten Humor haben sie sich bis zuletzt bewahrt.
Das Konzert Willkommen und Abschied: Erich Wolfgang Korngold und das Salzkammergut (Mit Josipa Bainac, Mezzosopran, Günter Haumer, Bariton, David Hausknecht, Klavier, Magdalena Scheck, Zither, Lis Malina und Gerold Gruber, Lesung aus den Briefen) widmet sich speziell Korngolds Aufenthalten in Alt-Aussee, Gmunden (Villa Fernblick), Bad Ischl und Höselberg. 1932 erwarben Luzi und Erich Korngold das Schloss Höselberg in Gschwandt bei Gmunden und verbrachten dort jeden Sommer bis zum Jahr 1937. 1938 wurde das Schloss von der Gestapo beschlagnahmt und diente nach dem Krieg als Unterkunft für Displaced Persons. In Höselberg erinnern heute eine Gedenktafel an den Komponisten, in Gschwandt ist eine Straße nach ihm benannt. Initiator zu zweiterem war Gustl Viertbauer (Musikmanager u.a von der Mundartband Die SEER ), dessen Großvater gerade mal eine halbe Stunde zu gehen hatte, um Korngold auf der Zither vorzuspielen: Man berichtet von einem willkommenen Hochgenuss für den Komponisten.
Die beim Konzert vorgetragenen Lieder stammen großteils aus Korngolds früher Schaffensperiode. Im Alter von 14 Jahren überreichte er sie dem Vater zum Geburtstag mit dem handschriftlichen Vermerk „Opus 5 — So Gott und Papa will“. Der Titel versteht sich als ironisches Indiz auf ein schwieriges Lebensthema: Julius Korngold, seines Zeichens berühmter Musikerkritiker war nicht nur der aufopfernde Förderer von Erich, sondern auch ein fordernder Vater. Selbst stilistisch hatte der Sohn zu parieren. In diesem Sinn — keine Sorge: Es bleibt melodiös! Wer Korngolds Oper Die tote Stadt kennt, darf sich auch auf Hits freuen: Marcel Prawy‘s erklärte Lieblingsmelodie aus dem gesamten Opernrepertoire „Glück, das mir verblieb“ wird nicht fehlen.
Sein Enkel. In Gaza. so unsagbar traurig.