Behindertenanwältin Christine Steger und ihr Team zu Gast bei Fokus Mensch
LINZ – Um über Gleichstellung und Anti-Diskriminierung zu sprechen, gesetzliche Neuerungen zu diskutieren und Genaueres über die Tätigkeiten von Fokus Mensch zu erfahren, stattete Behindertenanwältin Christine Steger mit ihrem Team Fokus Mensch-Geschäftsführer Michael Leitner einen Besuch ab. Gemeinsam sprachen sie über Schlichtungsaufkommen, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und die Problematik des komplexen Themas „Behinderung“.
Kernaufgabe der Behindertenanwaltschaft, hier allen voran der Behindertenanwältin als „Ombudsstelle“, ist es, Anti-Diskriminierung für Menschen mit Behinderung zu forcieren, Schlichtungen zu begleiten und zu betreiben. Christine Steger sieht ihre Rolle als politisches Amt, da es maßgeblich darum geht, Rahmenbedingungen zu verhandeln und von den Verantwortlichen Handlungen einzufordern. Dass sich hierbei mit Fokus Mensch als Interessensvertretung viele Schnittpunkte ergeben, ist naheliegend.
Sehr rasch stellt Steger klar: „Das Schlichtungsaufkommen ist in Oberösterreich gering – das spiegelt aber nicht die Realität wider: Es gibt nicht wenig Diskriminierung, sondern wenige Verfahren.“ Ein Umstand, den es zu ändern gilt – im positiven Sinne. Nicht die Anzahl der Verfahren soll steigen, sondern Inklusion und die Gleichstellung aller Menschen soll endlich umfassend in der Politik und Gesellschaft ankommen.
Bürokratie als Barriere
Eines der Probleme für Menschen mit Behinderung ist, dass es im Alltag nicht nur physische Barrieren gibt, sondern auch beträchtliche bürokratische Hürden aufgebaut werden. So gibt es etwa keine einheitliche Vorgehensweise bei Förderanträgen (z.B. sind etwaige Unterlagen in einigen Fällen vor, bei anderen wiederum nach der Investition einzureichen). Vereinfachungen würden diesbezüglich allerdings nicht in Aussicht stehen – im Gegenteil, der Amtsweg werde immer komplizierter, so Steger. Und weiter: „Beratung für Menschen mit Behinderung ist ein überaus komplexes Thema. Für betroffene Menschen braucht es österreichweit eine Stelle, an die sie sich wenden können. Diesen One-Stop-Shop gibt es aber leider noch immer nicht.“ Sozialberatungsstellen in den jeweiligen Bundesländern seien grundsätzlich eine gute Anlaufstelle, diese könnten aber nicht immer das gesamte Spektrum zu Themen für Menschen mit Behinderung abdecken, sind sich die Diskutierenden einig. Zu diesem Thema arbeitet FOKUS MENSCH bereits an einem Verbesserungs- und Kooperationskonzept.
Ein wesentlicher Knackpunkt sei laut Steger auch die bedarfsgerechte Unterstützung – es gebe Produkte und Leistungskategorien, die in jedem Bundesland unterschiedlich seien, eine gemeinsam Planungsgrundlage fehle. „Menschen müssen wissen: Was sind meine Rechte? Was ist eine Diskriminierung?“, so ihre Forderung.
Umso wichtiger ist es, dass die vorhandenen Anlaufstellen bestmöglich auf die Anfragen von Menschen mit Behinderung abgestimmt sind. „Ohne der Unterstützung von Organisationen wie Fokus Mensch würden Menschen mit Behinderung oftmals nicht über ihre Möglichkeiten Bescheid wissen, welche Ansprüche sie haben, was beanstandet werden kann, und so weiter. Viele Menschen, die Unterstützung suchen, hatten zuvor noch keinen oder kaum Kontakt zu gerichtlichen Institutionen – und scheuen den Weg dorthin“, so die Behindertenanwältin und Leitner.
Bedarfsorientierung statt Schubladendenken
Unterstützungsleistungen müssen sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten: „Man sollte nicht immer nur in den Schubladen denken, die es bereits gibt. Die Anforderungen der Zielgruppe verändern sich, darauf sind die bestehenden Vorkehrungen aber nicht abgestimmt“, so Steger.
In weiterer Folge führte die Diskussion zu den Neuerungen betreffend der Regelung zur Arbeitsunfähigkeit unter 25 Jahren. Diese gesetzliche Regelung soll die Berufstätigkeit und Inklusion von jungen Menschen mit Behinderung forcieren.
Sprechtag mit Behindertenanwältin Christine Steger
Positive Lösungen und konsensorientierte Ergebnisse für alle Menschen liegen Christine Steger am Herzen. Um mehr über konkrete Anliegen von einzelnen Menschen mit Behinderung zu erfahren und Möglichkeiten auszuloten, plant die Behindertenanwältin im Frühjahr 2025 einen Sprechtag im Fokus Mensch-Service Center Linz.
Zur Person
Strukturelle Diskriminierung und Ungleichbehandlung aufgrund einer Behinderung hat Christine Steger bereits selbst oft erlebt: Nach einem Verkehrsunfall wurde ihr das linke Bein amputiert und sie trägt seitdem eine Oberschenkelprothese.
Christine Steger agierte bereits als Leiterin des Unabhängigen Monitoringausschusses zur Überwachung der Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und war Leiterin der Universitätsabteilung „Familiy, Gender, Disability & Diversity (FGDD). An ihrer Aufgabe als Behindertenanwältin schätzt sie, nahe an den Menschen und ihren Anliegen zu sein.
Sie studierte Romanistik, Spanisch und Kommunikationswissenschaften. Christine Steger übernimmt aus Überzeugung politische Verantwortung, eine gute Vernetzung zur Spitzenpolitik ist ihr wichtig.
Über FOKUS MENSCH:
Der Verband setzt sich als Interessenvertretung für die Anliegen von Menschen mit Behinderung sowie deren Angehörigen ein. Weiters ist er Träger von Einrichtungen mit den Angeboten Wohnen, Arbeiten und Begleitung für Menschen mit Behinderung. Fokus Mensch hat ein Ziel – die ganzheitliche Inklusion. Denn: Selbstbestimmt und selbstständig das Leben zu meistern ist der gemeinsame Wunsch von uns Menschen.