Barriere-FREI-Tag im Dezember: Adventmärkte – in einer barrierefreien Welt ankommen
Adventmärkte sind doch sowieso barrierefrei – sobald die Wege breit genug sind… weit gefehlt! Das stimmt zwar (teilweise) für Menschen, die mit dem Rollstuhl unterwegs sind – aber wie geht es Menschen mit dem Rollator, mit Sehbeeinträchtigung, Hörbeeinträchtigung, sprachlichen Einschränkungen, kognitiven Einschränkungen, mit dem zwingenden Bedürfnis nach Ruhepausen? Wieder einmal mehr zeigt sich: Barrierefreiheit ist so viel mehr als eine Rollstuhl-Rampe. Ein Rundruf bei einigen Städteverwaltungen Oberösterreichs zeichnet jedoch ein anderes Bild… Lesen Sie am Ende dazu mehr.
Um in einer möglichst barrierefreien Welt anzukommen, hat sich das Feichtlgut in Föding/Ohlsdorf bei Gmunden das motivierte Ziel gesetzt, heuer einen Adventmarkt für wirklich alle zu gestalten:
Barrierefreier Adventmarkt im Feichtlgut
Freitag, 1. Dezember 2023
14 bis 21 Uhr, Föding 2, 4694 Ohlsdorf
Was wird geboten?
So wird es erstmals eine im Freien verlegte induktive Höranlage geben: Diese überträgt für Menschen, die beim Hörgerät auf einen Knopf drücken, sofort alles Gesprochene direkt ins Ohr, und das ohne Störgeräusche. In lauter Umgebung regelt ein herkömmliches Hörgerät die gesamte Lautstärke zurück, wovon auch der „Nutzschall“ – also das, was man eigentlich hören möchte – betroffen ist. Damit nützt ein Hörgerät nicht mehr viel. Hier hilft eine induktive Höranlage. Dabei wird das Gesprochene, die Musik, etc. über eine verlegte Induktionsschleife (Kabel) ausgesandt. Es wird eine Ringleitung in vorgesehenen Bereichen gelegt und mit einem Ringschleifenverstärker verbunden.
Den Einsatz einer induktiven Höranlage bei einem Adventmarkt im Freien hat es bisher wohl noch nirgends gegeben – nun aber bei Fokus Mensch! Mögliche „Stolperfallen“ wie Kabel o.ä. werden mit passenden Matten abgedeckt, um Barrieren für Rollatoren, Rollstühle oder Blindenstöcke zu verhindern.
Für Menschen mit Sehbeeinträchtigung bietet das Fokus Mensch Team vor Ort ein Begleitservice an, und greift damit einen Weihnachtswunsch von Susanne Breitwieser, Obfrau des Blinden- und Sehbehindertenverbandes OÖ auf, der sich an alle Adventmärkte richtet: „Es wäre wundervoll, wenn es ehrenamtliche Helfer gibt, die für den Besuch eines Adventmarkts ihre Augen zur Verfügung stellen, gemeinsam mit einem Menschen mit Sehbeeinträchtigung den Adventmarkt erleben und alles Gesehene erklären. So können wir Weihnachten auch als Fest der Nächstenliebe erleben, indem wir Zeit miteinander verbringen und dank Inklusion voneinander lernen.“
Gesagt, getan: Wer den Adventmarkt im Feichtlgut „mit anderen Augen“ sehen möchte, bitte um Blinden-Begleitservice-Voranmeldung bei Ulrich Fitzinger unter 07612 / 47553 – 112.
Bauliche Barrierefreiheit ist bei dem Adventmarkt im Feichtlgut sowohl im Außen- wie auch im Innenbereich gegeben. Auch selbstöffnende Türen und breite Wege sowie ausreichend barrierefreie, saubere Toiletten finden die Besucherinnen und Besucher des Adventmarkts vor.
Stichwort saubere Toiletten: Diese sind unter anderem für Menschen mit Sehbeeinträchtigung ein wichtiges Thema, denn um sich in einer unbekannten Umwelt zurecht zu finden, tastet man sich voran – in öffentlichen Toiletten oft ein unangenehmes Erlebnis…
Für Menschen mit sprachlichen Barrieren hat das Feichtlgut-Team zu jedem Stand passende Piktogramme erstellt – so können auch Menschen mit sprachlichen oder kognitiven Einschränkungen rasch und klar erfassen, was es wo zu sehen, zu kaufen oder zu erleben gibt. Absenkbare Stehtische, die unkompliziert auf die passende Höhe für Menschen im Rollstuhl gebracht werden können, ermöglichen ein ungezwungenes Beisammensein.
Um dem Bedürfnis einer reizarmen Auszeit nachzukommen, bevor man sich wieder ins fröhliche Adventtreiben einreiht, gibt es eigens eingerichtete Ruhebereiche, ohne Musik, ohne Trubel, mit der Bitte an alle dort befindlichen Personen, sich dort leise zu verhalten.
Ein Rundruf von Fokus Mensch bei einigen Städten in Oberösterreich hat gezeigt, dass das Thema Barrierefreiheit bei Adventmärkten noch bei weitem nicht im Bewusstsein der Verantwortlichen angekommen ist.
Besonders erfreulich war die Bestandsaufnahme bei „Advent am Dom“ in Linz: Hier profitiert man einerseits von der bereits vorhandenen Infrastruktur des Neuen Doms bzw. der Städteplanung (barrierefreier Zugang zum Dom als Teil des Adventmarkts sowie zur Krypta mit der konventionellen und einer virtuellen Krippe, taktile Leitlinien führen zum Domeingang, barrierefreie und mit Eurokey versperrbare WCs in der nahen Tiefgarage und im Dom, induktive Höranlage im Dom).
Andererseits zeigen Vorkehrungen wie bewusst niedrige Tische für Menschen im Rollstuhl, ein überwiegend barrierefreies Kinderprogramm an Wochenenden sowie die Trennung von Gastro- und Kunsthandwerksständen (erhöhte Verbrühungsgefahr bei Gastro-Ständen) auf ein klares Bekenntnis zu mehr Barrierefreiheit.
Grundsätzlich gibt es bei Adventmärkten laut Auskunft der Zuständigen der jeweiligen Stadtverwaltungen keine expliziten Bestimmungen hinsichtlich Barrierefreiheit. Es liege aber im Interesse der Aussteller, barrierefrei zu sein, um vielen Gästen den Besuch zu ermöglichen. Wo es Höhenunterschiede zwischen Ständen und Wegen gibt, verschafft man sich meist mittels Rampen Abhilfe. Vor allem größere Stände mit Gastro-Bereich können auch mit Rollstuhl erreicht werden – und manchmal auch mit etwas Geschick, da einige Rampen mitunter nicht allzu breit bzw. weitläufig sind.
Auf Rückfrage von Fokus Mensch hinsichtlich Barrierefreiheit im Umfeld gab es den Hinweis auf barrierefreie Container-WCs. Ein Lokalaugenschein zeigte jedoch, dass diese mitunter „Wegen Reparaturarbeiten“ gesperrt sind. Erst auf Nachfrage hinsichtlich anderer Barrierefreiheit, etwa betreffend die Ausstattung von Gastro-Bereichen oder taktiler Leitlinien im Areal, wurden einmalig taktile Leitlinien im Stadtgebiet erwähnt. Weitere Barrierefreiheit war nicht in Erfahrung zu bringen.
(Hinweis: Die konkreten Weihnachtsmärkte und Städte wurden hier bewusst nicht namentlich genannt. Es geht Fokus Mensch nicht um ein Anprangern, sondern um Bewusstsein schaffen. Wir möchten aufzeigen, dass es vor allem bei großen Adventmärkten noch viel Aufholbedarf hinsichtlich Barrierefreiheit gibt.)